Transkript: #2 Architektur: Vom Weblokal zum Sticklokal

Jeanne Devos

Sie stehen beim Standort 2 und schauen nach Norden, zu der ältesten Häuserzeile im Dorfzentrum. Diese haben zumindest teilweise den Dorfbrand von 1796 überlebt. Einige Fassaden sind später neugestaltet worden. Ursprünglich wurde in den Kellern gewoben. Wenige sind als reine Weberhäuser erhalten geblieben. Bei den drei vor Ihnen liegenden Häusern deuten die hohen Kellerfenster darauf hin, dass später in den Kellerlokalen auch Stickmaschinen im Einsatz waren. Diese Fenster lieferten gutes Tageslicht, was für die Bedienung der Maschinen erforderlich war. Wenn Sie auf Ihrem Dorfspaziergang Häuser mit hohen Sockelgeschossen und eingeschossigen Anbauten begegnen, stehen Sie mit grosser Sicherheit vor einem Haus, in dem in früheren Jahren einmal gestickt wurde. Die Gebäude wurden anfänglich im appenzellischen Baustil als Holzbau in Strickbauweise erstellt. Das oberste dieser drei Häuser weist eine bemerkenswert reiche Innenausstattung auf. Da muss ein wohlhabender Sticker gelebt haben.

Weiter bergaufwärts findet diese Häuserzeile ihre Fortsetzung bis oberhalb des Schwimmbades. Eines dieser Häuser wurde um 1880 von Johann Jakob Hohl als Stickereibetrieb geführt und später zur Fabrik Lendenmann ausgebaut. Der Betrieb war auf weisse Stickereien spezialisiert. Häuser in denen bloss gewoben wurde, finden sich noch in einigen Weilern ausserhalb des Dorfes wie der Kohlenrüti, der Langenegg, dem Nord oder dem Ettenberg. Das bereits erwähnte «Urwaldhaus» im Robach ist so ein Weberhaus. Typisch für die Weberhäuser sind Kellergeschosse, mit bis auf den Boden reichenden schmale Fensterbändern auf der Hauptfront, die mit hochklappbaren Fensterläden verschlossen werden konnten. Diese älteren, auf dem Land gelegenen Häuser aus der Zeit der Leinwandherstellung sind meist mit einem landwirtschaftlichen Kleingewerbe verbunden und weisen einen Stallanbau auf. Wenn Sie über die Hügel des Appenzellerlandes wandern, werden Sie immer wieder solche Weberhäuser erkennen. In Rehetobel gab es hochspezialisierte Weber, welche nur feinsten Stoff herstellten. Später sind auch Webfabriken entstanden. Jakob Volkart hat jahrzehntelang eine solche geführt und sein Sohn Walter erzählt uns gleich mehr über die Vielfältigkeit der hergestellten Produkte:

Wir haben dazumal Marquisette gemacht. Das ist ein feiner Stoff für Vorhänge und zum Teil auch für Kleider. Ich erinnere mich, dass wir damals eigentlich alles hergestellt haben: Corsette-Stoff, da man ja noch Corsagen trug, Möbelstoff, auch Brokatmöbelstoff und Matratzenstoff. Das ganz grosse Ding und unsere Stärke waren jedoch die Nachtvorhänge gewesen.

Um 1900 herum sind dann für die Sticker die moderneren, kubischen Holzbauten in Ständerkonstruktion mit hohen Einzelfenstern und Walmdächern oder Kreuzgiebeln entstanden. Wir werden diesem Typus noch begegnen. Das Gemeinsame dieser Häuser sind die hohen gemauerten Erdgeschosse für die mächtigen Stickmaschinen.

Marcel Anderwert

Gehen Sie jetzt auf der Strasse ein paar Schritte weiter und gelangen Sie zum Wöschhüsli. Es ist das kleine, steinerne Häuschen beim engen Durchgang.